Am 22. April fand in Wien das Seminar zum Thema „Die Säulen des flüssigen Sprechens“ statt. Ziel des von der ÖSIS (Österreichische Selbsthilfe Initiative Stottern) organisierten Seminars war es, den Teilnehmenden, darunter sowohl Betroffene als auch Angehörige und LogopädInnen, einen Einblick in das von Alfred Sumetshammer und Kurt Pichler entwickelte lösungsorientierte Konzept zu geben. Das Seminar lockte mehr als 20 Teilnehmende an, die sich für verschiedene Ansätze zur Behandlung des Stotterns und zur Verbesserung des Redeflusses interessierten.
Als Teilnehmerin des Seminars ging ich mit einer Mischung aus Aufregung und Neugierde an die Veranstaltung heran. Da ich bereits verschiedene Methoden und Techniken ausprobiert hatte, war ich begierig, etwas Neues und Innovatives zu entdecken. Mein Hauptinteresse galt dem Verständnis des lösungsorientierten Konzepts und seinem Potenzial, verschiedene Ansätze effektiv zu kombinieren und sie individuell an die Bedürfnisse der Betroffenen anzupassen und zu integrieren. Das Herzstück des Seminars bildete das einzigartige „Säulenkonzept“ des flüssigen Sprechens, das von Alfred Sumetshammer und Kurt Pichler entwickelt wurde. Dieses Konzept stützt sich auf vier Säulen (Ebenen) und eine Basisebene, um flüssiges Sprechen zu unterstützen. Diese Basis- bzw. Urteilsebene ist im Gegensatz zu den anderen Ebenen keine Methode, sondern beinhaltet die persönliche Entscheidung, das Stottern zu akzeptieren und sich nicht davon entmutigen zulassen. Entscheidend ist, die Säulen und das Fundament bzw. die Ebenen stetig zu stärken. Wie das im Konkreten aussehen kann, wurde uns anschaulich von den beiden Referenten auf eine interaktive Art und Weisevorgetragen.
Die emotionale Ebene konzentriert sich auf die Bewältigung von Sprechangst, die oft zu einer völligen Sprechlähmung führen kann. Eine für mich neue Technik, die in diesem Rahmen vorgestellt wurde, war die Emotional Freedom Technique (EFT). Durch EFT lernten die TeilnehmerInnen, von der Sprechangst in einen Zustand der Sprechruhe zu gelangen. Bei EFT werden bestimmte Akupressurpunkte sanft stimuliert oder geklopft, während man auf das jeweilige Problem achtet. Diese Technik zielt darauf ab, Blockaden im Energiesystem des Körpers zu beseitigen, was zu einer Verringerung der Stresshormone und einem Anstieg der „Glückshormone“ führt.
Auf der Methodenebene steht die von den TeilnehmerInnen angewandte Sprechtechnik im Vordergrund. Grundsätzlich stehen eine Vielzahl von bewährten und wirksamen Methoden zur Verfügung, im Seminar wurde jedoch die Methode nach Oskar Hausdörfer vorgestellt. Aufgrund ihres einfachen, aber logischen Aufbaus eignet sie sich besonders gut zur Integration in das Säulenkonzept
Die Denkebene untersucht den Einfluss von Gedanken und Worten auf den Redeerfolg. Die bewusste Autosuggestion nach der Coué-Methode (Entdecker des Placebo-Effekts) wurde als Mittel zur Nutzung der Selbstheilungskräfte eingeführt. Indem die TeilnehmerInnen positive Gedanken auf erfolgreiches Sprechen lenkten, sollten sie ihre Sprechleistung verbessern.
Die Lenkebene befasst sich mit einer häufigen Herausforderung, mit der Menschen, die stottern, konfrontiert sind: die Übertragung des flüssigen Sprechens aus Übungen oder Therapien in anspruchsvolle Sprechsituationen. Alfred und Kurt nutzen eine angepasste Version der ROPANA®-Methode, um die anderen drei Ebenen zusammenzuführen und sie in verschiedenen Sprechsituationen effektiv einzusetzen.
Im Allgemeinen war das Seminar für mich eine aufschlussreiche Erfahrung, weil ich nicht nur sehr viele interessante wissenschaftlich und neurologisch fundierte Informationen über Stottern erhalten habe, sondern auch verschiedene effektive Methoden und Techniken, die ich im Alltag zur Bewältigung von Sprechfluss und Sprechangst gut integrieren und anwenden kann. Um den Einsatz des Säulenkonzepts zu optimieren und das Ziel des flüssigen Sprechens zu erreichen, ist die richtige Anwendung in Sprechsituationen entscheidend. Im Mittelpunkt dieses Prozesses steht das direkte Herangehen an jede Sprechsituation, ohne sie zu vermeiden. Aber auch konsequentes Umsetzen in Alltagssituationen und stetes Training sind für die Aufrechterhaltung längerfristiger Erfolge unerlässlich.
Persönlich fand ich die Einbeziehung der Emotional Freedom Technique (EFT) in das Säulenkonzept als besonders wertvoll, da ich bereits durch die Übung und Anwendung im Seminar sofort meine Sprechangst etwas reduzieren konnte. Besonders hilfreich finde ich die Technik auch, weil sie generell ein sehr nützliches Instrument zum Stressabbau darstellt, nicht nur für stotternde Menschen. Sehr beeindruckend fand ich auch die Tatsache, dass beide Seminarleiter selbst betroffen sind und mit ihren Vorträgen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ermutigen, einen proaktiven Ansatz für flüssiges Sprechen zu wählen und sich auf ihre individuelle Sprechreise einzulassen.
Štefica Gazibara